Jörger von Tollet |
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Die Jörger von Tolleth und das Schloss[1], [2] Aus Siebmachers Wappenbuch, 5. Teil, Tafel 91, geht hervor, dass es unter den fränkischen Wappenträgern Edle von Tollet gegeben hat. Weigl weist darauf hin, dass im Bistum Lüttich (ehemals zu den österreichischen Niederlanden gehörend) Freiherren von Tollet ansässig waren. Sie waren die Ahnen jenes Obersten, nach dem im Spanischen Erbfolgekrieg das sogenannte »Tollet'sche Regiment« seinen Namen hatte. Johann Georg Adam Freiherr (Frh.) von Hoheneck nennt in seiner »Genealogie« II/502 die Tolleter ein alt-abgestorbenes Geschlecht, stellt aber zu Tollet bei Grieskirchen keinen Bezug her. Die historische Bedeutung des heutigen Gemeindegebietes Tollet hängt eng und unmittelbar mit dem Sitz Tollet zusammen. Wer die Erbauer des ersten Sitzes waren, ist nicht bekannt. Aber schon um 1170 n. Chr. war ein Ortolf de tolet, der zum Ministerialengeschlecht der Herren auf Schloss Ort im Traunsee gehörte, im Besitz von Tollet. Tollet war zu dieser Zeit ein von den Otokaren von Steier gewidmetes Zubehör der Herrschaft Ort im Traunsee. Ortolf de tolet, um 1170 - 1183, war vermutlich mit dem Ortolf von Grieskirchen-Tegernbach ident und nannte sich nach seinem Sitz Tolet, westlich von Grieskirchen. Er tritt mehrfach zeugenschaftlich auf, so z.B. 1170, um 1175, 1180 und 1183 n. Chr. Um 1170 n. Chr. bezeugt er die Übergabe eines Gutes Laub an das Kloster Garsten[3] und am 12. August 1183 n. Chr. zu Lorch die Bestätigung der von den Bischöfen von Bamberg dem Kloster Gleink erteilten Privilegien durch Bischof Otto von Bamberg[4]. Ortolf de tolet war der jüngere Bruder Hartnids II. von Ort im Traunsee. Nach dem Tode des letzten Besitzers von Tegernbach, Wulfing, im Jahre 1273 n. Chr. fiel der Besitz Tolet wieder an die Herrschaft Ort im Traunsee zurück. Im Jahre 1331 wird auf Tolet ein Dietmar von Lehrbühel genannt. Noch zu dieser Zeit ist Tolet ein Lehen von Ort. Dieser Dietmar wollte das Burgstall zu einem festen Haus umbauen und suchte nach damaligem Recht beim Landesherrn König Friedrich dem Schönen um die Bauerlaubnis nach. Sie wurde ihm und seiner Hausfrau Elisabeth (Elsbeth) auch erteilt, aber dabei die Auflage gemacht, dass Dietmar von Lehrbühel das Lehensband mit Ort im Traunsee löst und die Herrschaft Tolet vom Landesfürsten zu Lehen nimmt. So unterfertigten er und Elsbeth einen Revers, künftighin dem obersten Landrichter stets zu Diensten zu sein. Durch diesen Schritt des Toleters wurde der Hauptmann ob der Enns Eberhard von Wallsee, 1301 - 1371, in die Lage versetzt, im Zuge der beabsichtigten Einengung der Macht der Herren von Schaunberg in die neuerbaute Burg Tolet eine Besatzung zu legen[5]. Der vorgenannte Revers stammt vom Donnerstag nach dem Ostertag des Jahres 1331 und weist als Zeugen u.a. den Dietmar von Aistersheim und den Espein von Hag aus. Die Letztgenannten sollen ihren Sitz, die Holzburg am Hausruck, 1323 aufgegeben haben, nachdem sie vorher (nach Weigl) den Sitz Hartheim (heute: Gemeinde Alkoven) erworben hatten. Aus dieser Reversurkunde geht hervor, dass Tolet zu dieser Zeit ein Ritterlehen der Herrschaft Ort im Traunsee war. Die Herren von Ort starben mit Hartnid VI. im Mannesstamme aus. Im Wege von Eheschließungen der Töchter seiner Schwester traten Albero von Rauhenstein und Ortlieb von Winkel in den Besitz von Ort ein und wurden dadurch zu Lehensgebern Dietmars von Lehrbühel. Ursprünglich war Tolet eine wehrhafte Burg, dürfte diesen Charakter aber sehr bald zugunsten von Tratteneck verloren haben. Mitte 13. Jh. zog ein Helmhardus de Stille, 1255 - 1264, vom Sitz Still (heute. Gemeinde Hofkirchen/Tr.) weg und wurde zu St. Jörgen (= St. Georgen bei Grieskirchen) ansässig. Helmhardus de Stille ist mit Helmhardus des Georio ident. Nach 1344 n. Chr. haben die Herren von Wallsee die Herrschaft Ort im Traunsee angekauft und wurden so zu Lehensherren der Jörger von Tollet. Im Lehensbuch der Wallseer scheint Tolet als ihr Lehen auf. Nach dem Aussterben der Wallseer vergaben die Landesfürsten des Herzogtums ob der Enns Tolet zu Lehen. Am 3. Juli 1483 verlieh Kaiser Friedrich III. dem Hillebrand Jörger die Sitze Dollet und Lichtenau. Der Helmhardus de Stille scheint sowohl im Urbar Passau als auch im Necr. Florianum auf. Er nahm das Prädikat »JÖRGER« an. Anfangs waren die Jörger Lehensleute. Ab dem 14. Jh. verzweigten sie sich in mehreren Linien. Einer der Nachfolger des Helmhardus des Georio, Helmhard IV. Jörger, 1326 - 1360, nahm die Diemut, die Tochter Gundackers von Lehrbühel, zur Ehefrau und wurde auf deren Burg TOLET zum Begründer des Stammsitzes des später so berühmt gewordenen Geschlechtes der Jörger[6]. Lehrbühel war eine in der heutigen Gemeinde Roitham, Bezirk Gmunden, gelegene Ortschaft. Im Jahre 1367 war der Schwiegervater des Hans I. Jörger, Niklas der Etzersdorfer, Pfleger zu Tolet[7]. Helmhard VI. Jörger, 1357 - 1391, hatte sowohl in unserem Raume als auch in Österreich (unter Enns) Besitzungen. In Tolet ist er im Zusammenhang mit dem Schrahof (heute: Gemeinde Schlüßlberg) in einer Urkunde vom 28. April 1388 als »Helmharcz der Göringer von Dolet« bezeichnet[8]. Den langen Streit zwischen den Polheimern und den Jörgern betreffend die Vogtei über den Pfarrhof Grieskirchen entschied Kaiser Friedrich III. am 14. Mai 1492 zugunsten des Jörgers. Den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg der Jörger führten in erster Linie die Betätigungen der Jörger auf den Gebieten des Finanzwesens und das Auftreten als Pfandgläubiger (z.B. Starhemberg, Pernstein) herbei. Hier ist besonders Christoph I. Jörger, 1455 - 1518, zu nennen. Er verkörperte geradezu diesen Wirtschaftstyp. Die Jörger haben mehreren Kaisern (so Friedrich III., Maximilian I. Leopold I. u.a.) finanziell kräftig unter die Arme gegriffen. Sie haben in einigen Fällen auch die Funktion eines Mautinhabers ausgeübt (z.B. Maut Linz). Christoph I. Jörger war auch Salzhauptmann von Gmunden. Ein sehr bedeutender Jörger war Wolfgang IV. Jörger. Vor Wiener Neustadt war er kaiserlicher Feldhauptmann, am Krönungstag in Aachen (5. April 1486) hat ihn Maximilian I. mit dem Schwert Karls d. Gr. zum Ritter geschlagen. Acht Jahre später begleitete er den Kaiser nach Brabant. Im Jahre 1497 nahm Wolfgang IV. Jörger die Tochter des Burggrafen von Brunneck, Dorothea Raming, zur Hausfrau. Er war lange Zeit Pfandgläubiger der Herrschaft Wachsenberg im Mühlviertel. 1508 wurde er Salzhauptmann von Gmunden. Drei Jahre vorher hat ihn Kaiser Maximilian I. für seine im Landgericht Bereich Starhemberg ansässigen Gerichtsholden die Exemtion erteilt, ausgenommen die Fälle der todeswürdigen Verbrechen. Die Herausnahme der jörgischen Untertanen aus dem Bereich des Landgericht Erlach erreichte er vom Grafen Georg von Schaunberg. Diese Exemtionen waren auf den Bereich der Niedergerichtsbarkeit beschränkt. Wolfgang IV. Jörger bemühte sich für seine beiden Kapellen in Köppach und Tollet um pfarrliche Rechte. Papst Leo X. erteilte am 8. September 1519 die Erlaubnis, in beiden Kapellen das allerheiligste Sakrament aufzubewahren und im Notfalle an die Schlossfamilie einschließlich des Gesindes die Sakramente zu reichen. Der Propst Siegmund des Klosters St. Nikola bei Passau bewilligte für Tollet pfarrliche Rechte, ausgenommen das Recht der Taufspendung und das Sepulturrecht. Am 21. Februar 1513 wurde Wolfgang IV. Jörger als erster Ritter Hauptmann ob der Enns. In dieser Funktion wurde er 1521 von Cyriak von Polheim, einem Mitglied des Herrenstandes, abgelöst. Am 12. Juni 1522 beruft der Kaiser Wolfgang IV. Jörger in den Hofrat. Wolfgang IV. war Herr auf Tollet, Kreisbach (NÖ), Köppach (Bezirk Vöcklabruck), Roith (Gemeinde Taufkirchen/Tr.) und Oberweis (Bezirk Gmunden). Er starb am Erichtag (= Dienstag) nach Judica des Jahres 1524. Dies war der 15. März. Ab Wolfgang IV. nannten sich die Jörger »Jörger von Tollet«. Wolfgang IV. und Dorothea hatten zwei Söhne: Hans und Christoph. Im Jahre 1518 hatte Wolfgang IV. einen Gesamturbar angelegt. Vom 7. März 1532 und vom Jahre 1544 stammen Briefe Martin Luthers an Dorothea Jörger. Die Tochter Amaley ehelichte den Matthäus Oberhaimer. Hans Jörger erwarb im Wege eines Kaufes von Gundacker von Polheim einen Burgfried. Das sogenannte kleine Landgericht Tollet war ein Lehen vom Hause Liechtenstein. Das Gebiet des Burgfrieds und das kleine Landgericht Tollet wurden von Hans Jörger von Tollet und Gundacker von Polheim zu Parz und Steinhaus ausgemarktet. Zum sogenannten Kleinen Landgericht Tollet gehörten: die Ortschaft Tollet (Nr. 3, 4, 9, 10, 11, 12 und 13), die Höretsmühle in Stein Nr. 3, das Steinroidergut in Oberwödling Nr. 11, das Königsgut Nr. 1 und das Haus im Schlögltobel Nr. 3[9]. Von den elf Grenzsteinen blieb nur mehr der Hauptstein beim Steinroidergut. An den beiden Schmalseiten steht oben und unten »Landgericht« an der inneren Seite ist »Tollet« eingemeißelt, an der äußeren »Tegernbach«. Das kleine Landgericht Tollet wurde aus dem Gebiet des Landgericht Tegernbach ausgeschieden. Von 1490 - 1601 besaßen die Jörger auch den Edelsitz Gallham (heute: Gemeinde Prambachkirchen). Dieser Sitz wechselte in der Folge wiederholt den Besitzer und wurde im Jahre 1830 abgetragen. Der zweite Sohn Wolfgangs IV., Christoph II. Jörger, hatte von Martin Luther Unterricht erhalten und hielt sich am Hofe des Kurfürsten von Sachsen auf. Er vermählte sich dreimal:
-a) mit Barbara, geb. Harrach, 1526, Im Jahre 1531 erhielt er Pernstein. Christoph II. war ein großer Förderer des protestantischen Glaubens. Der Erwerb des Allods Kreisbach im Jahre 1546 wurde zur Voraussetzung für die Erhebung in den Freiherrenstand (Prädikat: »von Kreisbach«). Seit 1572 war Christoph II. Erblandhofmeister des Herzogtums ob der Enns und starb am 19. Jänner 1578. Einen gewissen ersten Höhepunkt in der Geschichte der Jörger bildete Helmhard VIII., 1530 - 1594. Manche sehen in ihm den Größten seines Geschlechtes. Er verkörperte das Finanz-, Verwaltungs- und Kunstgenie in einer Person. Helmhard VIII. wurde am 29. Jänner 1530 auf Schloss Tollet geboren, war ab 1539 am Hofe des Kurfürsten Johann von Sachsen und ehelichte 1559 die Elisabeth Grabner. Im Jahre 1565 wird Helmhard VIII. Wirklicher Hofkammerrat, drei Jahre später steht er an der Spitze der nö. Kammer. An den Landtagen ob der Enns ist er dreizehn Mal als kaiserlicher Kommissär anzutreffen[10]. Auch er ist ein großer Geldgeber, so lieh er dem Prälatenstand in ob und unter der Enns 36.000 fl. Seine 'Hausfrau' brachte ihm die Herrschaft Zacking (NÖ) mit in die Ehe ein, im Jahre 1576 erwirbt er Walpersdorf (NÖ), im Jahre 1578 bekommt er für Walpersdorf auch die Hochgerichtsbarkeit. In der Folgezeit kamen noch weitere Besitze dazu, so z.B. Kuffern, Hausenbach, Gutenbrunn und Judenau (alle NÖ). Am 29. Juni 1581 kauft er die Herrschaft Pernstein. Scharnstein schenkte ihm der Kaiser für seine treuen Dienste, am 1. November 1584 wird Scharnstein zum freien Aigen. Das Pflegerhaus Schaferleithen lässt Helmhard VIII. zum Schloss Neu-Scharnstein ausgestalten. Im Almtal baute Helmhard VIII. eine florierende Sensenindustrie auf. Am 24. April 1593 erwirbt er aus dem Erbe der Grafen von Schaunberg die Veste Stauf (heute: Gemeinde Hartkirchen, Bezirk Eferding), weiter den Markt Aschach und 1/6 der Maut Aschach. Nach dem Tode seiner Hausfrau nimmt er die jugendliche Judith von Liechtenstein zur zweiten Ehefrau. Sie stirbt aber bereits im Jahre darauf. Jetzt heiratet er die 17-jährige Katharina von Zelcking, 1582. Aus dieser Ehe stammt der glücklose Karl Jörger. Helmhard VIII. Jörger stirbt am 18. November 1594 und hinterlässt ein Vermögen von 600.359 fl. Er wird in der von ihm erbauten Saalkirche in Harnisch und Küraß in einem Kupfersarg zu Grabe getragen. Rapier, Dolch und Sporen sollen vergoldet gewesen sein. Sein Sohn Karl Jörger kam sehr bald in große Schulden, so dass es zur Teilung der Güter zwischen ihm und seinem Stiefbruder Wilhelm kommen musste. Seine Ehe mit der Freiin Anna von Hofmann war nicht glücklich. Den Neuhof in Aschach ließ er zum Schloss umbauen, um 220.000 fl kaufte er die Herrschaft Pürnstein. Der Schuldenstand stieg allmählich auf etwa 343.000 fl an. Im Jahre 1614 wurde Karl Jörger Verordneter des Herrenstandes. 1577 stiegen die Jörger in den alten Herrenstand auf, ein eher ungewöhnlicher Vorgang, weil sie erst kurz vorher in den Freiherrenstand aufgestiegen waren und es allgemeine Regel war, dass man im Freiherrenstand drei Generationen sein musste, ehe ein Geschlecht in den alten Herrenstand aufsteigen konnte. Wolfgang V. Jörger erwarb im Jahre 1587 Erlach und zwei Jahre darauf Steyregg. Die Herrschaft Steyregg ging dann an Helmhard der Jüngere. über. Hier bauten die Jörger den Ostflügel des Schlosses. Wolfgang V. Jörger war fünfmal verheiratet, zuletzt mit Maria Salome, geh. Starhemberg. Helmhard IX. Jörger, geboren 1572 auf Schloss Starhemberg, war 1592 Regimentsrat, im Jahre 1596 ehelichte er in Wien Maria Magdalena von Polheim. Hilleprand II. Jörger erwarb 1534 die Herrschaft Prandegg (heute: Gemeinde Schönau, Bezirk Freistadt). Diese Herrschaft war zur Hälfte landesfürstliches Lehen, zur anderen ein Regensburger Lehen. Diese Hälfte erwarb Hilleprand II. als freies Eigen. Weiter konnte er den Markt Zell (heute: Bad Zell) mit der hohen und niederen Gerichtsbarkeit, dem Wildbann und der Vogtei über die Pfarre Zell erwerben. Hilleprand II. Jörger hatte auch in der Umgebung Tollets großen Streubesitz. Im Jahre 1551 kaufte er die Herrschaft und den Markt Ottensheim. Hier starb er am 18. Februar 1571 und wurde in der Vogteikirche begraben. Von ihm gibt es einen schönen Grabstein. Sebastian Jörger hat ihm das Amt am Hausruck verkauft. Hilleprand II. war Landrat und Ritterstandsverordneter. Auch seine Söhne (Wilhelm und Hans Adam) teilten den Besitz. Hilleprand III. kaufte den Sitz Zellhof und ist 1616 gestorben. Sein Nachfolger Ferdinand Jörger ließ zwischen 1618 - 1622 in Zellhof einen großen zweigeschossigen Trakt mit einer prachtvollen Freitreppe bauen. Sebastian Jörger, der Sohn des Hans IV. Jörger, war mehr auf dem Gebiete der geistigen Kultur tätig. Er besaß eine eigene Bibliothek, deren Umfang aus der Verlassenschaftsverhandlung nach dem Tode Sebastians am 21. November 1571 hervorgeht:
-a) die eigentliche »Liberei«, etwa 300 Bände, Bedeutender war die Bibliothek der Jörger in Steyregg. Diese (und wahrscheinlich auch die Bestände von Tollet) gingen später an die Schlossbibliothek in Windhaag bei Perg. Diese Schlossbibliothek ging dann im Wege über die Dominikaner nach Wien, wo sie die Universitätisbibliothek und die Hofbibliothek (heute: Nationalbibliothek) bereicherte. Im Landesarchiv Linz liegt ein Verzeichnis der Dienst- und Urbargüter des Wolfgang IV. Jörger von Tollet von 1518 auf. Weiter ein Namens- und Ortsregister mit 103 beschriebenen und 18 leeren Quartblättern aus Augsburger Papier, mit Pergament überzogen, eingeprägt ist die Jahreszahl 1564. Geziert ist das Ganze mit vier blauen, seidenen Bändchen. Die eigenen Aufzeichnungen des Sebastian Jörger tragen auf dem Titelblatt die Worte »15 M 64 Sebastian Jörger zu Tolleth Gott Mein Hoffnung«. Dann folgen Sprüche[11]. Die Familienbücher der Jörger umfassen den Zeitraum von 1497 - 1599. Im Jahre 1564 schrieb Sebastian Jörger eigenhändig ein Urbar. Darin unterschied er zwischen Höfen, Tavernen, Mühlen, Huben und Sölden. Sebastians einziger Sohn war Hans V. Jörger, 1558 - 1627, der Erbauer des Schlosses Tollet. Er studierte in Tübingen und Padua, war seit 1582 Landrat und von 1598 - 1603 Verordneter des Herrenstandes ob der Enns. Im Wege der Ehe mit Barbara (einer Tochter Helmhards VIII.) und durch Ankäufe gelang es ihm, großen Besitz zu erwerben. Im Jahre 1601 legte er den Grundstein zum Schlossbau Tollet, das im Jahre 1611 fertig gestellt worden ist. Am 6. Juni 1602 kaufte er von der Herrschaft Weidenholz (heute: Gemeinde Walzenkirchen) den Wegmayrhof und den Lachmayrhof an. Beim Bauernaufstand 1632 war der Wegmair einer der ersten Teilnehmer. Hans V. Jörger war der letzte Jörger auf Schloss Tollet. Er hatte auch in Österreich unter der Enns die Standschaft bekommen. Dort besaß er die Sitze Götzelsdorf, Zacking, Johansein u.a. Zu dieser Zeit war auf Schloss Tollet ein gewisser Schlößleder Pfleger. Zu Beginn des 17. Jh. sollen die Jörger insgesamt 2763 Untertanen gehabt haben. Tollet hatte um 1750 263 Untertanen, die jährlichen Einkünfte betrugen 4391 fl. Die Jörger waren eifrige Förderer der lutherischen Lehre. Dies geht u.a. aus einem Bericht des Bischofs Wolfgang von Passau vom Jahre 1561 hervor. Auf die Bitte des Christoph II. Jörger hin hat Martin Luther den Prädikanten Mag. Michael Stiefler nach Tollet geschickt, der die Schlosskapelle sofort in einen protestantischen Betsaal umfunktionierte. Das Empfehlungsschreiben Martin Luthers an Christoph II. Jörger zu Tollet und Kreußbach ist vom Sonnabend Exaudi 1525. Stiefler war Augustiner Chorherr in Eßlingen und hat sich 1520/21 Luther zugewandt. Er schrieb über Luther ein begeistertes Lied, in dem er ihn als Engel pries. Im Mai 1522 floh Stiefler aus dem Kloster. Er war ein Eiferer des neuen Glaubens und musste Tollet bald wieder verlassen. Den Weggang wird ihm das Schicksal des Lienhard Kayser aus Walzenkirchen erleichtert haben, der ihm die Verhörprotokolle zukommen ließ. Stiefler ging vorerst nach Würtemberg. Auf Schloss Tollet gab es - mit kurzen Unterbrechungen - fast 100 Jahre protestantische Prädikanten. Neben Michael Stiefler sind noch zu nennen: Martin Moseder (1556), Samuel Agricola (1584), Beuerlin und David Walther (1625). Auch Helmhard VIII. Jörger hatte sich neben dem Schloss Scharnstein eine Holzkirche erbauen lassen und hielt sich dort einen Prädikanten. Die einzige Patronatspfarre der Jörger war St. Georgen (bei Grieskirchen). Der bereits oben erwähnte Wolfgang V. Jörger erwarb im Jahre 1587 nicht nur Erlach sondern auch das Schloß Hernals in Wien[12]. Verkäufer war Ferdinand Geyer, ebenso die Jörger ein bekannter Föderer des Protestantismus [13] . Der Verkauf wurde 1587 ohne Zustimmung des Lehensherrn abgewickelt. Erst 1618 wurden schließlich von den Jögern die formelle Belehnung an Hanns Jörger durch Kaiser Matthias erlangt. Bereits unter Geyer wurde der protestantische Glaube in Hernals gepflegt. Unter den Jörgern wurde dann die Hernalser Pfarrkirche zu einem religiösen Mittelpunkt der neuen Kirche. Bald bürgerte sich der Name »Jörger-Kirche« ein. In Wien sagt man den Jörgern einen energischen und rücksichtslosen Charakter nach, aber sie galten alle als 'gediegen' humanistisch und juristisch gebildet und mit scharfen Verstand. Sie waren als 'Spitze der protestanisch-ständischen Opposition' gesehen. Nicht überraschend brachte dies für die Jörger Probleme mit sich. Böhm [14] schrieb dazu: "Kein noch so scharfes kaiserliches Strafmandat konnte das 'Auslaufen' protestantischer Wiener nach Hernals verhindern. In der Hauptstadt als landesfürstliche Stadt war ja neugläubiger Gottesdienst nicht erlaubt. Es ist bezeichnend, daß Kaiser Rudolf II. dem Wolfgang Jörger keine Belehnung, nur Lehensurlaub erteilte. Erst das Zusammengehen der Stände mit Kaiser Matthias verschaffte Hanns Jörger als Vertreter der gesamten Familie 1618 die förmliche Belehnung. Eigentlicher Schloßherr wurde Helmhardt Jörger, das Haupt der ständischen Partei in Niederösterreich. Er ging so weit, nach dem Thronwechsel von 1619 Kaiser Ferdinand II. die Huldigung zu verweigern, da der Habsburger nicht bereit war, vorher sämtliche Privilegien zu bestätigen. Da die Mehrzahl seiner Standesgenossen Helmhardt auf diesem radikalen Weg nicht zu folgen wagte, wurde ihm sein Besitz, auch Hernals abgesprochen." Helmhardt wurde am 20. September 1620 zum Rebellen erklärt. Seine Güter verfielen der Kammer. Natürlich wurde Hernals sofort rekatholisiert. Helmhardt floh, wurde aber dann in Linz eingekerkert. 1621 erlngte Helmhardt einen Teil seiner Güter gnadenhalber zurück erlangte er eine Teil seiner Güter zurück[12],[15]; nicht jedoch Hernals. Seine Besitzungen in Hernals wurden 1625 dem Wiener Domkapitel St. Stephan übertragen. " Obwohl das Kapitel 'Jörger' bereits 400 Jahre zurück liegt und die Jörger nur 33 Jahre Besitzer des Schlosses Hernals waren, ist deren Eindruck nach wie vor präsent. 'Jörger' und 'Hernals' hört man immer wieder in einem Atemzug. Bezeichnungen wie "Jörgerstrasse" und "Jörgerbad" leisten dazu ebenfalls ihren Beitrag. Der schon erwähnte Karl Jörger nahm am 23. April 1619 an der Spitze einer Deputation in Wien teil und wurde in der Folgezeit Oberhauptmann der ständischen Truppen für das Machland und das Traunviertel. Er musste vor den Bayern flüchten. Zuerst wollte er nach Italien, dann über Tirol nach Würtemberg. In Schöneberge bei Innsbruck nahm man ihn am 27. Oktober 1620 gefangen und brachte ihn auf die Festung Oberhaus bei Passau. Er wurde strengen Verhören unterzogen und starb am 4. Dezember 1623 im Verlies an den Folgen der Tortour. Es gibt ein Gedicht, das von ihm stammen könnte: »Herrn Karl Jörgers Freiherren Trostlied«, 11 Strophen mit je 17 Zeilen. Noch zur Zeit, als Karl Jörger in Kerkerhaft war, wurden seine Güter eingezogen und dem Fiskus überantwortet. Zum 24. August 1618 hatte sich für die Besitzungen des Karl Jörger ein negatives Vermögen von etwa 350.000 fl ergeben. Seine Witwe Anna hielt sich noch eine Zeit lang auf dem Sitz Gröbming (heute: Gemeinde Gaspoltshofen) auf und dürfte dann zu ihren Söhnen nach Tübingen und Regensburg gezogen sein. Den Sitz Tollet verließen die Jörger im Jahre 1620. Tollet gab der Kaiser dem Kurfürsten Maximilian von Bayern, der es 1628 an den Grafen Adam von Herberstorff um den Spottpreis von 30.000 fl weitergab. Den äußerst niederen Kaufpreis sollten wohl Maximilians Worte an Herberstorff erklären: »... Zur Ersetzung des Schadens, den Ihr in jüngster Bauernrebellion erlitten habt ... «. In der etwa zu dieser Zeit vorgenommenen Schätzung war auch »die Freiheit auf dem T(P)iderweg zu 150 fl.« veranschlagt. Diese Freiheit war vielleicht eine Art Fahrt- oder Weiderecht. In einem anderen Verzeichnis soll zu lesen gewesen sein: »Die Untertanen, denen die Straße auf dem T(P)iderweg zugehörig ist, sind schuldig, jährlich zwei Ochsen von Georgii bis Michaeli darauf gehen zu lassen (also vom 24. 4. - 29. 9. eines Jahres[16]). Der Stammsitz der Jörger kam nie mehr in die Hände dieses Geschlechtes zurück. Im Jahre 1596 war auf Schloss Tollet Hans Septimius Jörger geboren worden. Er vermählte sich 1621 mit der einzigen Tochter und Erbin des Schlossbesitzes Strechau bei Admont/Stmk., Potentia. Da Hans Septimius Jörger nach Regensburg auswanderte, verkaufte er Strechau (ohne die reiche Rüstkammer) um 95.000 fl. Dann lebte er mit seiner Familie »beim Gulden Schild« in Nürnberg und wurde am 9. August 1659 in den Reichsgrafenstand erhoben. Der Staatsmann Johann Quintin I. Jörger, 1624 - 1705, erhielt seine Bildung in Regensburg und studierte in Leipzig und Straßburg Jura. Er war auch Kenner der Klassiker. Da er zum katholischen Glauben konvertierte, stand seinem Aufstieg nichts mehr im Wege. Unter Kaiser Ferdinand III. wird er Kämmerer, 1650 tritt er in die Hofkammer ein. Mit dem Diplom vom 6. Februar 1657 erhebt ihn der Kaiser zum Reichsund erbländischen Grafen mit dem Titel: »Graf und Herr zu Tollet und Erlach, Freiherr zu Kreisbach«. Kaiser Leopold I. bestätigte dieses Diplom seines Vaters und dehnte den Grafenrang auf den Hans Septimius und dessen Familie aus. Johann Quintin I. Jörger wurde Vizepräsident der Hofkammer und deckte in zwei Denkschriften die Machinationen des Präsidenten der Hofkammer, Georg Ludwig Graf von Sinzendorf, auf. In Hofkreisen nannte man Johann Quintin I. Jörger »den Redlichen«. Am 17. März 1681 ernannte ihn Kaiser Leopold I. zum Wirklichen Geheimen Rat. Damit wurde er Mitglied der obersten politischen Behörde und stimmte mit in der Außenpolitik und über Krieg und Frieden. Dieses Dreierkonsortium setzte sich aus dem Kaiser, der Geheimen Konferenz und dem Wirklichen Geheimen Rat zusammen. In seinem Gutachten vom 11. August 1682 entschied sich Johann Quintin I. Jörger für den Rat zum Krieg gegen Frankreich und damit zum Frieden mit der Hohen Pforte. Aus seinen Gutachten (z.B. dem vom 11. März 1683) leuchtet Quintins I. Weitblick hervor. In der Folge wurde er Präsident der Geheimen Deputiertenkammer und am 24. Oktober 1687 Statthalter der nö. Länder. Er veranlasste den Bau der 1. Wiener Straßenbeleuchtung und organisierte die Wiener Rumorwache, die Vorgängerin der Wiener Sicherheitswache. Am 6. Juli 1689 legte er in der leidigen Sache General Carafa ein Gutachten vor. Johann Quintin I. Jörger nahm auch an allen Sitzungen teil, die sich mit dem Spanischen Erbfolgekrieg befassten. Am 19. Februar 1688 war er Ritter des Ordens des Goldenen Vlieses geworden. Kaiser Leopold I. hatte ihn dem spanischen König persönlich zur Verleihung vorgeschlagen. In erster Ehe war Johann Quintin I. mit der Anna Maria Freiin von Königsberg verheiratet, seine zweite Ehe Schloss er mit Maria Rosalia Gräfin von Losenstein, 1679. Sein begabter Sohn wurde 1680 ermordet. Johann Quintin I. Jörger starb am 17. Februar 1705 und wurde in Wien begraben. Andreas Christian Jörger, um 1630 - 1700, war der älteste Sohn des Hans Septimius und seit 1695 Generalquartiermeister. Er war Teilnehmer am Entsatz Wiens im Jahre 1683. Johann Franz Anton Dominik Jörger, ein Sohn Johann Quintins I. Jörger, 1670- 1738, war im Jahre 1709 Inhaber des Regiments Herbeville. Er wurde Generalmajor, 1716 erhielt er die Kammerschlüssel, 1717 wirft er als Kommandeur des 1. Treffens der kaiserlichen Truppen bei Belgrad die Türken zurück. Er wird 1723 Feldmarschallleutnant, 1724 Hofkriegsrat und 1738 General der Kavallerie. Sein Sohn Quintin III. Jörger ist krank, mit seinem Tode am 3. November 1772 sterben die Jörger im Mannesstamm aus. Die Funktion eines Obersten Erblandhofmeister übten folgende Jörger aus:
-a) Christoph II. Jörger, 1570 - 1578, Die Jörger waren milde und gerechte Grundherren. Die Leibeigenschaft ist in keinem ihrer Stammgüter nachweisbar. Mitunter traten die Jörger als Unterhändler der Bauern auf, wie beispielsweise Helmhard der Jüngere.
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[1] vgl. Zeiger Josef, 1986: "Ortsgemeinde Tollet" in: Vom Hausruck bis zur Donau – von der Sallet bis zum Hausruck; Steyr, Verlag Wilhelm Ennsthaler, und "Der Bezirk Grieskirchen - Ein Heimatbuch", 1977, Grieskirchen, Bezirksheimatverein Grieskirchen | |
[2]
A. Weigl, " Heimatgeschichte der Gemeinde Tollet",
unveröffentlichtes Manuskript, S. 10 Grabherr Norbert, 1975: Historisch-topographisches Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze Oberösterreichs, Wien S. 49, E/25/1. | |
[3] U.B. (Urkundenbuch) I/184 | |
[4] Julius Strnadt, 1868 "Peuerbach, ein rechtshistorischer Vergleich", S. 188 | |
[5] vgl. U.B. VI/6 und Weiß-Starkenfels, "Der Adel Oberösterreichs", S. 178 | |
[6] vgl. Hoheneck 111/349 | |
[7] U.B. VIII/349 | |
[8] Heinrich Wurm, 1955 "Die Jörger von Tollet", Graz, Wien: Verlag Böhlau, S. 18 | |
[9] Julius Strnadt, "Hausruck und Atergau", S. 250, Fußnote 1 | |
[10] vgl. Wurm, 1955 S 80ff | |
[11] vgl. Wurm, 1955, S 128f | |
[12] Ehrenreich Fritz, 1994: Hernals - Einst und jetzt; Wien: Internationaler Literatur Verlag, S 28ff | |
[13] Wilhelm Böhm, 1957, Klosterhof und Herrenland, in Hernals aus Vergangenheit und Gegenwart des XVII. Wiener Gemeindebezirks; Beilage zur Wiener Zeitung am 31. März 1957, S 2ff und Wurm, 1955. S 109f | |
[14] Wurm, 1955. S 185 | |
[15] Wilhelm Böhm, 1957, S 3 | |
[16] Weigl, Manuskript, S. 61 |
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